Thomas Hürlimann entführt uns in seinem Roman „Der Rote Diamant“ in die mysteriöse Welt eines Internats der 1960er-Jahre. Kerri Mahers „Die Buchhändlerin von Paris“ ist ein Roman über zwei starke Frauen, das „gefährlichste Buch des Jahrhunderts“ und eine Liebe im Paris der zwanziger Jahre. Der ukrainische Historiker Serhii Plokhy zeigt in „Das Tor Europas – Die Geschichte der Ukraine“, wie mannigfaltig und dramatisch die Historie dieses Landes zwischen Europa und dem Osten ist.
„Der Rote Diamant“
„Pass dich an, dann überlebst du“, bekommt der elfjährige Arthur Goldau zu hören, als ihn seine Mutter im Herbst 1963 im Klosterinternat hoch in den Schweizer Bergen abliefert. Hier, wo schon im September der Schnee fällt und einmal im Jahr die österreichische Exkaiserin Zita zu Besuch kommt, wird er zum „Zögling 230“ und lernt, was schon Generationen vor ihm lernten.
Doch das riesige Gemäuer, in dem die Zeit nicht zu vergehen, sondern ewig zu kreisen scheint, birgt ein Geheimnis: Ein immens wertvoller Diamant aus der Krone der Habsburger soll seit dem Zusammenbruch der österreichischen Monarchie im Jahr 1918 hier versteckt sein. Während Arthur mit seinen Freunden der Spur des Diamanten folgt, die tief in die Katakomben des Klosters und der Geschichte reicht, bricht um ihn herum die alte Welt zusammen. Rose, das Dorfmädchen mit der Zahnlücke, führt Arthur in die Liebe ein, und durch die Flure weht Bob Dylans „The Times They Are a-Changinʼ“.
Thomas Hürlimann wurde 1950 in Zug, Schweiz, geboren. Er besuchte das Gymnasium an der Stiftsschule Einsiedeln und studierte in Zürich und an der FU Berlin Philosophie. Neben zahlreichen Theaterstücken schrieb er die Romane „Heimkehr“, „Vierzig Rosen“ und „Der große Kater“ (verfilmt mit Bruno Ganz), die Novellen „Fräulein Stark“ und „Das Gartenhaus“ sowie den Erzählungsband „Die Tessinerin“. Für sein dramatisches, erzählerisches und essayistisches Werk erhielt er unter anderem den Joseph-Breitbach-, den Thomas-Mann- sowie den Hugo-Ball-Preis. 2019 wurde er mit dem Gottfried-Keller-Preis ausgezeichnet. Hürlimann ist korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Akademie der Künste, Berlin. Seine Werke wurden in 21 Sprachen übersetzt. Nach vielen Jahren in Berlin lebt er wieder in seiner Heimat.
Thomas Hürlimann: „Der Rote Diamant“
S. Fischer, 2022. 320 Seiten, 24 Euro.
„Die Buchhändlerin von Paris“
Eine Buchhandlung mitten in Paris. Für die junge Amerikanerin Sylvia Beach ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Dass sie mit „Shakespeare & Company“ in die Geschichte der Weltliteratur eingehen wird, ahnt sie bei der Eröffnung 1919 nicht. Schon bald wird „Shakespeare & Company“ zum literarischen Treffpunkt in Paris: Hemingway, Gide, Valéry und Gertrude Stein gehen hier ein und aus – und nicht zuletzt aber James Joyce. Als nach Abdruck einzelner Episoden die vollständige Publikation seines umstrittenen Romans „Ulysses“ verboten wird, ist es die unerschrockene Sylvia Beach, die ihn gegen alle Widerstände veröffentlicht – und damit ihre ganze Existenz aufs Spiel setzt. Doch in der gleichgesinnten französischen Buchhändlerin Adrienne Monnier findet Sylvia Beach nicht nur eine wagemutige Mitstreiterin, sondern auch die Liebe ihres Lebens.
Kerri Maher studierte an der Columbia University und gründete die preisgekrönte Literaturzeitschrift „YARN“. Sie war viele Jahre Professorin für Creative Writing. Heute lebt sie mit Tochter und Hund in einem grünen Vorort westlich von Boston und widmet sich ganz der Schriftstellerei.
Kerri Maher: „Die Buchhändlerin von Paris“
Übersetzt von Claudia Feldmann
Suhrkamp, 2022. 391 Seiten, 16 Euro.
„Das Tor Europas – Die Geschichte der Ukraine“
Mit dem Ukraine-Krieg hat eine neue Zeitrechnung in Europa begonnen. Im Kern geht es in dem Konflikt um die Geschichtsdeutung eines riesigen Landes, das jahrhundertelang Zankapfel der Großmächte war: Es gilt als Wiege der Russen und war mythischer Ort für die alten Griechen, Wikinger und Mongolen beherrschten das heute Staatsgebiet ebenso wie Österreich-Ungarn, Polen und die Sowjets, die erst mit dem „Holodomor“, dem grausamen Aushungern der Bevölkerung, den ukrainischen Widerstand brechen konnten.
Dass die Ukrainer ein Volk mit eigener Sprache, Tradition und Geschichte sind, zeigt der Harvard-Professor Serhii Plokhy so deutlich wie fundiert und eloquent. „Das Tor Europas“ ist das vielleicht wichtigste Buch zum Verständnis der Hintergründe des aktuellen Konflikts. Es zeigt, wie die Ukraine zum Spielball zwischen Ost und West wurde und dennoch stets seine eigene Identität bewahrte.
Serhii Plokhy ist Professor für ukrainische Geschichte in Harvard und Direktor des ukrainischen Forschungsinstituts der Universität. Plokhy ist Autor zahlreicher Bücher zur osteuropäischen Geschichte, darunter das preisgekrönte Werk „The Last Empire. The Final Days of the Soviet Union“, für das er den Lionel-Gelber-Preis erhielt, und „Chernobyl. History of a Tragedy“, das mit dem Baillie-Gifford-Preis ausgezeichnet wurde.
Serhii Plokhy: „Das Tor Europas – Die Geschichte der Ukraine“
Übersetzt von Thomas Wollermann, Bernhard Jendricke, Stephan Pauli, Stephan Kleiner und Anselm Bühling
Hoffmann und Campe, 2022. 560 Seiten, 30 Euro.