David Park erzählt in seiner „Reise durch ein fremdes Land“ von einem Mann, der fast an sich und seinem Schicksal zerbricht. Das Buch „Erzählende Affen“ von Samira El Ouassil und Friedemann Karig beschäftigt sich damit, wie Geschichten unser Leben bestimmen. Katherine May schreibt in „Überwintern“ über die heilsame Kraft des Innehaltens.
„Reise durch ein fremdes Land“
Von Beruf Fotograf sieht Tom die durch den Winter zum Erliegen gekommene Welt um sich herum wie durch die Linse seiner Kamera. Schon immer hat er sein Leben auf diese Art betrachtet, und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass er es anhand von Fotografien erzählen kann. All diese Bilder kommen ihm nun in den Sinn: das erste Foto, das er von seiner Frau geschossen hat, die Aufnahmen von Familienfeiern, die ihm seinen Lebensunterhalt sichern, und diejenigen, die er stets zu machen geträumt hat, Fotos jenseits der gängigen Sehgewohnheiten.
Tom hat sich längst damit abgefunden, dass er kein großer Künstler ist. Doch wie soll er damit leben, dass er kein perfekter Ehemann ist? Und dass er vor allem seinem anderen, seinem ältesten Sohn Daniel kein guter Vater war? Tief in seiner Kamera versteckt, gibt es ein Foto von Daniel, das Toms ganze Schuld und ganzes Leid zeigt. Je intensiver Toms innere Zwiegespräche mit Daniel auf dieser Reise werden, desto mehr hofft er, Erlösung und Vergebung zu finden.
David Park, 1953 geboren, ist ein vielfach ausgezeichneter nordirischer Schriftsteller. Er erhielt u. a. den Authors’ Club First Novel Award, den Bass Ireland Arts Award for Literature, den American Ireland Fund Literary Award und mehrfach den University of Ulster McCrea Literary Award. Des Weiteren stand er dreimal auf der Shortlist für den Irish Novel of the Year Award und auf der Longlist des Sunday Times EFG Short Story Award. Er lebt in County Down in Nordirland.
David Park: „Reise durch ein fremdes Land“
Übersetzt von Michaela Grabinger
Dumont Verlag, 2021. 200 Seiten, 20 Euro.
„Erzählende Affen“
Eine starke Geschichte kann die Welt retten – oder sie zerstören. Sie kann Wahlen entscheiden, Menschenleben retten, aber auch Kriege auslösen und Ungerechtigkeit zementieren. Samira El Ouassil und Friedemann Karig verfolgen diese ambivalente Wirkungsmacht anhand wichtiger Narrative von der Antike bis zur Gegenwart. Und sie zeigen, welche Erzählungen uns heute gefährden und warum wir neue benötigen.
Wie gelingt es, den Klimawandel so zu erzählen, dass er zum Handeln drängt? Aus welchen Überlegenheitsmythen entstehen Rassismus und Antisemitismus? Mit welchen Storys manipulierte Trump seine Anhänger, und weshalb verfangen die Lügen der Querdenker und Verschwörungsideologen? Was erzählen wir seit jeher über uns selbst ‒ als Deutsche, als Europäer, als Humanisten, über unsere Republik? Gibt es Alternativen dazu? Wie könnte eine wirkungsmächtige neuen Erzählung der Aufklärung aussehen?
Geschichten sind ein maßgeblicher Teil unserer Sozialisation. Sie durchdringen Politik, Medien und Kultur, lehren uns, unterhalten uns, verführen uns, beeinflussen unsere Wirklichkeitswahrnehmung – vom griechischen Drama bis zur Netflix-Serie.
Samira El Ouassil, geboren 1984 in München, ist eine deutsche Autorin, Schauspielerin, Musikerin und Politikerin. Seit September 2018 schreibt sie für das Onlineportal „Übermedien“ die Kolumne „Wochenschau“. Seit 2019 moderiert sie zusammen mit Christiane Stenger den philosophischen Audible-Podcast „Sag niemals Nietzsche“. Seit 2020 schreibt sie eine Online-Kolumne beim Spiegel. Zusammen mit Friedemann Karig moderiert sie seit 2020 den Podcast „Piratensender Powerplay“.
Friedemann Karig, geboren 1982, studierte Medienwissenschaften, Politik, Soziologie und VWL und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, das SZ-Magazin, Die Zeit und jetzt. „Dschungel“ war sein literarisches Debüt, zuvor erschien 2017 sein Buch „Wie wir lieben. Vom Ende der Monogamie“. Karig lebt in Berlin und München
Samira El Ouassil & Friedemann Karig: „Erzählende Affen“
Ullstein Bucherlage, 2021. 528 Seiten, 25 Euro.
„Überwintern – Wenn das Leben innehält“
Es gibt Zeiten, da liegt unser Leben „auf Eis“ und wir fühlen uns wie aus der Welt gefallen. Durch eine Krankheit oder den Verlust eines geliebten Menschen, durch Arbeitslosigkeit. Auch ein freudiges Ereignis wie die Geburt eines Kindes kann uns aus dem Gleichgewicht bringen. Katherine May nennt diese Zeiten des Rückzugs, die ihr selbst nur allzu vertraut sind, „Winter“. Und wie auch in der winterlichen Kälte alles ruht, um Kraft für den Frühling zu sammeln, so gibt May sich dem „Überwintern“ hin.
Sie reist nach Tromsø zu den Polarlichtern, schwimmt im eisigen Meer, schwitzt in der Sauna und feiert das Winterfest Santa Lucia. Sie besinnt sich auf das Wesentliche und gibt sich der Ruhe und inneren Einkehr hin – bis sie sich wieder bereit fühlt, mit neuer Energie weiterzumachen.
Katherine May schreibt Romane und Sachbücher, u. a. über das Aspergersyndrom. Sie verfasste zahlreiche Artikel für u. a. die Times und unterrichtete Creative Writing an der Christ Church University in Canterbury.
Katherine May: „Überwintern – Wenn das Leben innehält“
Übersetzt von Marieke Heimburger
Insel Verlag, 2021. 272 Seiten, 22 Euro.